Freitag, 4. Oktober 2013

Kontrolle

Liebe Leute,

ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll, denn ich möchte von so Vielem berichten! Zuerst einmal habe ich ja versprochen von meinem Alltag und der Arbeit zu erzählen. Es mag so scheinen als würde ich nur Rumreisen. Das mit dem Reisen stimmt auch - aber das nur stimmt nicht. :) Die Arbeit nimmt immernoch den Großteil meiner Zeit ein und begeistert mich total! Das einzige Problem ist, dass es eigentlich jeden Tag etwas erzählenwertes auf der Arbeit passiert und ich nur nicht richtig weiß, wie ich das hier festhalten soll. Von einem Wochenendausflug von 2 Tagen zu berichten ist da sehr viel einfacher!

Dieses Wochenende z.B. ... war sehr spannend!
Freitag morgen fahren Rebekka, Theresia, Tobi, Roman und ich früh um 8h los, um nach Genin zu fahren. Zuerst mit dem Bus nach Afula, dann etwas laufen und mit einem Tramp weiter bis zum Kontrollpunkt(Genin liegt in den paläst. Gebieten, deshalb muss man durch eine Kontrolle).  Aus dem Trampauto ausgestiegen wollen wir also über die Grenze laufen, durch einen vergitterten langen Gang. Zuerst werden wir von anderen Arabern freundlich begrüßt: "Welcome, welcome!". Wir marschieren weiter, als wir von einem Soldaten zurückgerufen werden. - Als Ausländer darf man nicht zu Fuß über die Grenze laufen. Wir müssen also 10 Meter vor der Grenze versuchen, dass ein Auto anhält und uns 20 Meter bis hinter der Grenze mitnimmt. Ja wer macht das schon?? Stehen wir da also und warten ... und freuen uns sehr darüber, als ein Auto anhält und schonmal 2 von uns mitnimmt. Roman und Theresia. Diese kommen leider nicht allzu weit - um genau zu sein 10 Meter (bis zur Schranke) - als sie nach Pässen kontrolliert werden und Romans wieder aussteigen muss und zurück gelaufen kommt. Roman und ich hatten nur eine Kopie unseres Reisepasses (und Führerschein/Perso) dabei, da unser Coordinater gerade an diesen 3 Tagen unser Volontärsvisum beantragen muss. Diese Kopie reicht offiziell aus, da es ja keine Landesgrenze ist, praktisch kommt man aber nicht rein wissen wir jetzt. Hier trennen sich also unsere Wege. Die anderen 3 reisen weiter, wir 2 trampen wieder zurück nach Afula und gucken mal so wohin noch Busse fahren. Unsere Rucksäcke sind ja gepackt und sogar Schlafsäcke haben wir dabei! ;)

NAZARETH! Warum nicht, waren wir beide ja noch nicht. Sehr viele Zufälle sind in den nächsten paar Stunden passiert. Wir sind nach Nazareth gefahren und haben am Touristoffice nach einem Hostel gefragt (angeblich das billigste: für 80 NIS). Wir laufen mit Rucksack durch die Altstadt und finden die Beschilderung, der wir nachlaufen. - Die uns zu einem anderen Hostel als erwartet führt. Dieses ist, bedauerlicherweise, ausgebucht. Toll! Man muss dazu sagen, dass Nazareth am Hang liegt und wir samt Gepäck 20 Minuten den Berg hochgelaufen sind und vollgeschwitzt sind. Ein Bett gibt es nicht mehr für uns. Nach einem Telefonat mit ihrem Mann, Toni, bietet die Guesthousebesitzerin uns aber freundlicherweise das Sofa im Eingangsbereich für nur 70 NIS inklusive Frühstück an. Genau das Richtige für uns! Extra werden noch Haken in die Wand geschlagen, eine Wäscheleine gespannt und eine große Decke mit Wäscheklammern daran befestigt, so dass die Sofas abgetrennt vom Rest sind. Den ganzen Tag laufen wir durch die Altstadt von Nazareth, welche viel Ähnlichkeit mit Jerusalem hat, aber viel weniger touristisch und aufbereitet ist. Wir besuchen die Basilica und die griechisch orthodoxe Kirche. Uns verschlägt es außerdem nach "Nazareth Village", einer kleinen Nachbildung, wie es in Nazareth zur Zeit Jesus ausgesehen haben muss. Außerdem "ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Jesus mal hier lang gelaufen sein muss, denn er habe im Umkreis von weniger als 1/2 Kilometer gewohnt". Nicht alle Besucher haben verstanden, dass dies nur eine Nachbildung ist und man nicht sicher weiß, dass Jesus hier gewohnt hat.

der Blick von unserem Hostel auf die Old City

eine griechisch orthodoxe Kirche
Nazareth Illit, der jüdische Teil


Mir war vorher nicht  bewusst, dass Nazareth eine komplett arabische Stadt ist und sie ein sehr gutes Beispiel ist um den Israel-Palästina-Konflikt näher zu erläutern. Roman und ich hatten nämlich das Glück, dass uns ein britischer Journalist genau diesen Konflikt näher gebracht hat und anhand einiger Beispiele verdeutlicht hat. Super interessant und ein ganzer Haufen voller AHAAAH-Momente. z.B. ist ein wichtiges Element um den ganzen Konflikt zu verstehen, dass es keine israelische Nationalität gibt. Es gibt nur die jüdische Nationalität und in Israel wohnende Juden. Also Briten, Amerikaner, Russen, Franzosen, Deutsche .... jüdischen Glaubens, aber keine Israelis. Gesetzlich gesehen hat das eine wichtige Bedeutung, denn des gibt einmal das Zivilrecht und das nationale Recht. Das nationale Recht gilt folglich nur für die Juden. z.B. kann sich der Staat durch das Zivilrecht Land aneignen, was dann dem jüdischen Staat gehört und nur durch das nationale Recht nur an Juden weiter gegeben wird. So werden nicht Juden, insbesondere Araber vertrieben. Ich kann das leider nicht so super wieder geben wie Jonathan Cook, unser Guide, aber vielleicht gibt es einen kleinen Eindruck.

Bevor ich nach Israel bin, habe ich mich mit dem Nahostkonflikt nicht insbesondere auseinandergesetzt... Wenn man hier nach Israel kommt und nur die Vergangenheit des Holocaust kennt, dann mag man ein starker Pro-Israeli sein. Je mehr ich mich jedoch mit dem Israel-Palästina-Konflikt auseinandersetze, desto schwieriger fällt es mir, eine klare Meinung zu vertreten. Was aber wirklich auffällig ist, ist dass die Araber, die hier in Tivon wohnen, unter sich bleiben und nicht von den Israelis akzeptiert werden. Immer wieder sehen wir skeptische und abwertende Blicke, wenn wir mit den arabischen Mitarbeitern unseres Projekts in den Straßen gesehen werden.

Im Gegensatz dazu werden die Behinderten in der Gesellschaft sehr akzeptiert. Wie man es von Russland ganz krass kennt habe ich auch hier damit gerechnet, dass es Leute geben mag die Behinderte nicht akzeptieren und einen blöd angucken. Hier in Tivon selber wohnen die etwa 50 "selbstständigsten" Member in eigenen Wohnungen und fahren so wie wir nur tagsüber ins Kfar, um dort zu arbeiten. Diese sieht man dann immer mal in den Straßen rumspazieren, einkaufen oder mit Nachbarn unterhalten.