Montag, 18. November 2013

Malins Arbeit und Alltag


Aller liebste Familie, Freunde und Förderer!

Schon sind 2 Monate in Israel rum und es wird Zeit für meinen ersten richtigen Rundbrief aus dem nahen Osten.  Bisher fühlte sich das Ganze hier noch ein bisschen wie ein langer Urlaub an. – Tolles Wetter, Sonne, Strand, Reisen … Erst langsam realisiere ich, dass sich hier ein ganzes Leben aufbaut. – Freunde, Arbeit, Alltag und auch Schwierigkeiten. Ich habe mich wunderbar hier in Kfar Tikva eingefunden und genieße jeden Tag aufs Neue!
Jetzt, wo ich selber ein  wenig Ahnung habe wie hier in Israel alles abläuft und wie im Projekt alles funktioniert, möchte ich auch euch daran Teil haben lassen. Ich wohne in einem kleinen Ort, Kiryat Tivon, nicht weit von Haifa und arbeite in „Kfar Tikva“ = „Dorf der Hoffnung“- ein Platz, wo 200 Menschen mit Behinderung ( wir nennen sie Member) wohnen, arbeiten und leben. Eine kleine Ausnahme gibt es, und zwar wohnen ca. 50 sehr selbstständige  Member außerhalb des Projektes. Manche von ihnen arbeiten sogar in der Ortsbäckerei oder einer Wäscherei und nutzen nur die restliche Betreuung des Projektes. Alles sind Erwachsende. Außerdem gibt es 12 deutsche Volontäre, 5 israelische Volontäre und viele andere Mitarbeiter. Es ist eine wunderbare Lage, nicht weit vom Ort, mit toller Aussicht und Blick ins Tal.





Angelegt wie ein Dorf, wohnen die Member in eigenen Häusern. Manche alleine, zu zweit oder in einer Wohngemeinschaft. Mahlzeiten werden in der „Chadar Ochel“ eingenommen, dem gemeinsamen Speisesaal. Die Member arbeiten in unterschiedlichen Gruppen. Im unteren Bereich des Dorfes befinden sich Werkstätten, wie z.B. die Kerzenfabrik, Filz, Holz,  Keramik, Kita Or und Kita Oren (kreative Workshops, in denen alte und stark eingeschränkte Member arbeiten). Außerdem gibt es ein Gartenteam und  die „Pinat Chai“, einen kleinen Bauernhof mit unterschiedlichsten Tieren, wie Pferd, Esel, Nasenbär, Ziegen und Schafe, Kaninchen und Hamster, Frettchen, Tauben und Wellensittiche, Hühner …  Ich selber arbeite mit einer weiteren deutschen Volontärin und der Workshop-Leiterin in der Filz-Werkstatt.
Hier gefällt es mir besonders gut, da ich viele kreative Ideen und Vorschläge mit einbringen und umsetzen kann. So fangen wir dieses Jahr z.B. an Filzblumen und Taschen zu machen. Das habe ich bereits in Deutschland mal gemacht und bringe es jetzt den Membern bei. Das ist hier allerdings nicht so einfach, da körperliche Behinderungen oder ein Sturkopf dem Verständnis im Weg stehen können. So weiß z.B. Ella* ganz genau, wann sie Wasser und wann sie Seife dazu geben muss, damit eine schöne Tasche bei rauskommt. Trotzdem ruft sie alle paar Minuten nach mir und möchte, dass ich doch mal ihre Arbeit überprüfe und sie kräftig lobe. Danach arbeitet sie engagiert weiter. Eine andere Memberin hingegen möchte am Morgen alles anfangen zu filzen, was sie grade nicht in die Hände bekommen soll, weil sie ein Händchen dafür hat, Dinge zu zerschneiden oder auseinander zu rupfen. Sobald man ihr dann doch eine Arbeit anvertraut oder sie darum bittet etwas zu tun sträubt sie sich und trotzt: „Lo, ani lo rotza“, was so viel heißt wie „Nein, ich will nicht“. Dagegen kann man dann auch nur schwer etwas tun. Die meisten anderen jedoch sind sehr fleißig, arbeitswillig und motiviert, was in anderen Werkstätten aufgrund des Behinderungsgrades nicht immer möglich ist.
Generell im Kfar und ebenso bei uns in der Werkstatt geht es weniger um das Produktive, als um die sinnvolle Beschäftigung der Member. Auch wenn man mal hier und da zu verzweifeln droht, da einem alle auf dem Kopf rum tanzen und an alles denken, nur nicht daran auf Anweisungen zu hören, so kann man am Ende des Tages doch immer auf ein paar fertige Filzblumen blicken und denkt sich: „irgendwie klappt’s ja doch!“.
In meinem Workshop haben wir 15 Member, die zwischen 21 und 60 Jahre alt sind. Die Art von Behinderung und der Behinderungsgrad sind dabei sehr unterschiedlich. Sowohl physische als auch psychische Einschränkungen, autistische Menschen, welche die unter schweren Depressionen leiden, Behinderungen, die von Geburt an sind und andere, die durch ein traumatisches Ereignis verursacht wurden. Trotz der bunten Mischung, oder vielleicht sogar grade wegen der bunten Mischung kommen alle gut miteinander klar und  sorgen für einander. Wenn ich morgens in den Workshop komme werde ich fröhlich Empfangen mit: „Boker tov, Malin!“ oder „Ma nisch ma?“ (Guten Morgen Malin! Wie geht’s dir?). Einige umarmen mich stürmisch zur Begrüßung, andere schenken mir ihr schönstes Lächeln. Jeden Morgen freue ich mich schon drauf und fühle mich nicht nur willkommen, sondern auch erwünscht. 

mein Filzworkshop, mit den insgesamt 15 Membern





Insgesamt muss man sagen, dass alle Member hier sehr selbstständig sind und nur mehr oder weniger Unterstützung benötigen. Hier zeigt sich auch das Motto des Projekts: „Hilf mir, es selbst zu tun.“ Genau das spiegelt sich auch in unseren Aufgabenfeldern wieder.
Morgens müssen einige Member geweckt werden, andere benötigen leichte Hilfe beim Duschen, dies ist jedoch noch weit von „Pflege“ entfernt. Danach arbeiten wir von 8h-12h in unserem festen Workshop. Mittags hat man ab und zu Essensausgabe. Nach einer kleinen Mittagspause beginnt das Nachmittagsprogramm, welches sehr vielseitig und individuell ist. Von den israelischen und deutschen Freiwilligen werden unterschiedliche Aktivitäten und AGs angeboten.
So z.B. das Sportprogramm von Fußball über Basketball und Fahrradfahren bis hin zu Spazieren oder Tanzen. Einmal die Woche gibt es eine Falaffelfahrt und eine Pita-AG. Es gibt ein Café, einen Karaoke-Abend, Kino-Abend, Tanzen, Disko … eigene Ideen können gerne verwirklicht werden.
Unabhängig von dem Angebot der Freiwilligen gibt es Unterricht für die jüngeren Member, Hebräisch Unterricht für nicht Muttersprachler, Musikunterricht, einen Chor, Malen, eine Diät-Gruppe, einen Raum zum Musik hören und einen zum Spielen. Außerdem gibt es ganz neu einen Snoozelraum und Sportgeräte im Außenbereich. Erst nach und nach habe ich das vielseitige Angebot entdeckt und bin wirklich fasziniert wie viel Organisation dahinter steckt und wie viele Möglichkeiten die Member haben.
Zweimal die Woche hat jeder zwei fest zugeteilte Member, mit denen er eine Einzelbetreuung macht. Ich z.B. betreue Miriam* und Gil*. Diese zwei Member sind komplett verschieden und haben sehr unterschiedliche Ansprüche. Sich jedes Mal neu anzupassen und auf sie einzulassen ist eine große Herausforderung. Zuerst einmal zu Miriam: sie ist total aufgeweckt, fröhlich, motiviert, aktiv, lustig, humorvoll und sie lacht sehr gerne - alles sehr positive Eigenschaften! Der einzige Haken ist, dass Miriam super schnell abgelenkt ist und nicht ruhig sitzen kann. Wenn ich also auf einer Bank sitze und mich super nett mit ihr unterhalte, dann kann es gut sein dass sie im nächsten Moment aufspringt und zu irgendwem anders hinläuft. Mir bleibt dann nichts anderes übrig, als ihr hinterher zu laufen. Ihre Stimmung ist dann schlagartig sehr verändert und sie ruft: „ Schekket, dai, stop annoying me. Please leave me alone.“ Die erste Reaktion ist, sie in Ruhe zu lassen. Wenn man sie aber ein bisschen kennt, weiß man, dass man nur 5 Minuten warten muss und sie ist freundlich wie eh und je und hat vergessen, dass sie mal sauer auf einen war. Die Arbeit mit ihr ist oft anstrengend und mühsam, aber Miriam ist eine sehr liebenswürdige Person, die mir trotzdem das Gefühl gibt, gerne mit mir Zeit zu verbringen. Schon Tage vorher informiert sie sich, was wir denn geplant haben – auch wenn sie selber am Tag auf alles Lust hat, nur nicht auf das Geplante. Unser größter bisheriger Erfolg war das gemeinsame Pancake backen! :)  Wir 2 können uns zum Glück gut verständigen, denn Miriam kommt ursprünglich aus Australien und spricht außer Hebräisch auch noch fließend Englisch.
Meine Einzelbetreuung und eine israelische Mitfreiwillige mit zwei Membern
Bei Gil ist das anders. Mit ihm ist die Sprachbarriere eine große Herausforderung. Er spricht Persisch und Hebräisch – beides beherrsche ich leider nicht so fließend. Er ist jedoch verlässlich, sehr fröhlich und um einiges ruhiger als Miriam. Wir albern viel rum und unsere Treffen sind meistens von Dialogen wie: „Lama lo“ – „Lama ken“ – „Lama lo“ – „Lama ken“ (warum nicht – warum doch) usw. … dominiert. Dies kann man zu jedem x-beliebigen Thema machen. Weil ich meistens nicht ganz verstehe worum es geht beschimpft er mich mit einem belustigten Lächeln mit „At balaganiste“ (Du chaotin). Mit Gil war ich auch schon mal im Ort Kiryat Tivon in einem Café. Die Member in unseren Einzeljobs lernen wir mit der Zeit am besten kennen und dienen für diese auch als Bezugsperson.
Ansonsten gibt es noch ein paar unregelmäßigen Jobs, wie z.B. das Begleiten von einzelnen Membern zum Arztbesuch oder der gemeinsame Ausflug mit ein paar Membern zum Basketballspiel in Haifa. Letzteres ist ein großes Event und alle Member sind sehr aufgeregt und froh.

Chanukka-Fest mit Tanz in der Chadar Ochel:




Ein paar Häuser, in denen die Member im Kfar wohnen:






Genug zur Arbeit, kommen wir zur Freizeit. Wir Volontäre wohnen nicht im Kfar, sondern im Ort Kiryat Tivon, welcher zu Fuß 15min, mit dem Auto 5 min entfernt ist. Hier sind wir 12 in 3 bescheidenen WGs untergebracht. Es gibt jeweils zwei Doppelzimmer, Küche, Bad und Wohnzimmer. 2 Mädchen WGs, eine Jungs WG.  Untereinander können wir uns und den Supermarkt in 2 min erreichen.
Im Kfar steht extra für die Volontäre ein Karavan in der Nähe des Speisesaals, in welchem wir unsere Pausen verbringen und welcher auch als Rückzugsort während der Arbeit dient. Dank zwei Betten, einer kleinen Kücheneinrichtung, Dusche, Klo und einem kleinen Feuer- und Sitzplatz davor lässt es sich hier gut die Zeit vertreiben und auch den einen oder anderen BBQ gemeinsam genießen.


DerVolontärs-Karavan ....


 ... und die wunderbare Aussicht.



2x die Woche findet für uns Freiwillige ein Hebräisch-Sprachkurs statt. Leider hat er erst vor kurzem angefangen, dafür ist er aber super und sehr hilfreich. Hier möchte ich kurz erwähnen, dass auch meine Hebräisch Kenntnisse zunehmen und ich außer den einfachen Redewendungen und Begrüßungs-Floskeln anfange die hebräischen Schriftzeichen lesen zu können.
Sechs Mitfreiwillige bilden eine „Music Group“, mit der wir an Chanukka unseren Ersten Auftritt haben und den Member-Chor unterstützen. Außerdem nehme ich am Kunstunterricht teil, den einer der Workshop-Leiter uns in seiner Freizeit anbietet. Einmal die Woche treffen wir uns abends für 2-3 Stunden und er gibt uns Tipps zum Malen und Zeichnen.
Um meinen persönlichen Eindruck von Kfar Tikva zu beschreiben, möchte ich eine Einheimische zitieren, die uns im Auto vom Kfar bis nach Hause mitgenommen hat: „ You work in Kfar Tikva? Oh, that´s a unique place with special people.“ Wirklich! Der Name “Dorf der Hoffnung” passt schon ganz gut. Die meisten Member, die einmal hier wohnen, möchten auch gar nicht mehr woanders hin ziehen, auch wenn ihr Gesundheitszustand es ermöglichen würde. So werden sie gemeinsam alt, und in Kfar Tikva werden neue Häuser gebaut, um noch mehr Menschen mit Behinderung die Möglichkeit zu geben, an dieser einzigartigen Gesellschaft teilhaben zu können.
Wer von euch noch Lust hat mehr zu lesen und über meine vielen Wochenendtrips zu erfahren kann gerne mal auf meinen Blog gucken: malin-goes-israel.blogspot.de
Ich danke euch allen, dass ihr mich unterstützt und mir diese wundervolle Erfahrung möglich macht!
  
Shalom shalom, eure Malin

Freitag, 4. Oktober 2013

Kontrolle

Liebe Leute,

ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll, denn ich möchte von so Vielem berichten! Zuerst einmal habe ich ja versprochen von meinem Alltag und der Arbeit zu erzählen. Es mag so scheinen als würde ich nur Rumreisen. Das mit dem Reisen stimmt auch - aber das nur stimmt nicht. :) Die Arbeit nimmt immernoch den Großteil meiner Zeit ein und begeistert mich total! Das einzige Problem ist, dass es eigentlich jeden Tag etwas erzählenwertes auf der Arbeit passiert und ich nur nicht richtig weiß, wie ich das hier festhalten soll. Von einem Wochenendausflug von 2 Tagen zu berichten ist da sehr viel einfacher!

Dieses Wochenende z.B. ... war sehr spannend!
Freitag morgen fahren Rebekka, Theresia, Tobi, Roman und ich früh um 8h los, um nach Genin zu fahren. Zuerst mit dem Bus nach Afula, dann etwas laufen und mit einem Tramp weiter bis zum Kontrollpunkt(Genin liegt in den paläst. Gebieten, deshalb muss man durch eine Kontrolle).  Aus dem Trampauto ausgestiegen wollen wir also über die Grenze laufen, durch einen vergitterten langen Gang. Zuerst werden wir von anderen Arabern freundlich begrüßt: "Welcome, welcome!". Wir marschieren weiter, als wir von einem Soldaten zurückgerufen werden. - Als Ausländer darf man nicht zu Fuß über die Grenze laufen. Wir müssen also 10 Meter vor der Grenze versuchen, dass ein Auto anhält und uns 20 Meter bis hinter der Grenze mitnimmt. Ja wer macht das schon?? Stehen wir da also und warten ... und freuen uns sehr darüber, als ein Auto anhält und schonmal 2 von uns mitnimmt. Roman und Theresia. Diese kommen leider nicht allzu weit - um genau zu sein 10 Meter (bis zur Schranke) - als sie nach Pässen kontrolliert werden und Romans wieder aussteigen muss und zurück gelaufen kommt. Roman und ich hatten nur eine Kopie unseres Reisepasses (und Führerschein/Perso) dabei, da unser Coordinater gerade an diesen 3 Tagen unser Volontärsvisum beantragen muss. Diese Kopie reicht offiziell aus, da es ja keine Landesgrenze ist, praktisch kommt man aber nicht rein wissen wir jetzt. Hier trennen sich also unsere Wege. Die anderen 3 reisen weiter, wir 2 trampen wieder zurück nach Afula und gucken mal so wohin noch Busse fahren. Unsere Rucksäcke sind ja gepackt und sogar Schlafsäcke haben wir dabei! ;)

NAZARETH! Warum nicht, waren wir beide ja noch nicht. Sehr viele Zufälle sind in den nächsten paar Stunden passiert. Wir sind nach Nazareth gefahren und haben am Touristoffice nach einem Hostel gefragt (angeblich das billigste: für 80 NIS). Wir laufen mit Rucksack durch die Altstadt und finden die Beschilderung, der wir nachlaufen. - Die uns zu einem anderen Hostel als erwartet führt. Dieses ist, bedauerlicherweise, ausgebucht. Toll! Man muss dazu sagen, dass Nazareth am Hang liegt und wir samt Gepäck 20 Minuten den Berg hochgelaufen sind und vollgeschwitzt sind. Ein Bett gibt es nicht mehr für uns. Nach einem Telefonat mit ihrem Mann, Toni, bietet die Guesthousebesitzerin uns aber freundlicherweise das Sofa im Eingangsbereich für nur 70 NIS inklusive Frühstück an. Genau das Richtige für uns! Extra werden noch Haken in die Wand geschlagen, eine Wäscheleine gespannt und eine große Decke mit Wäscheklammern daran befestigt, so dass die Sofas abgetrennt vom Rest sind. Den ganzen Tag laufen wir durch die Altstadt von Nazareth, welche viel Ähnlichkeit mit Jerusalem hat, aber viel weniger touristisch und aufbereitet ist. Wir besuchen die Basilica und die griechisch orthodoxe Kirche. Uns verschlägt es außerdem nach "Nazareth Village", einer kleinen Nachbildung, wie es in Nazareth zur Zeit Jesus ausgesehen haben muss. Außerdem "ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Jesus mal hier lang gelaufen sein muss, denn er habe im Umkreis von weniger als 1/2 Kilometer gewohnt". Nicht alle Besucher haben verstanden, dass dies nur eine Nachbildung ist und man nicht sicher weiß, dass Jesus hier gewohnt hat.

der Blick von unserem Hostel auf die Old City

eine griechisch orthodoxe Kirche
Nazareth Illit, der jüdische Teil


Mir war vorher nicht  bewusst, dass Nazareth eine komplett arabische Stadt ist und sie ein sehr gutes Beispiel ist um den Israel-Palästina-Konflikt näher zu erläutern. Roman und ich hatten nämlich das Glück, dass uns ein britischer Journalist genau diesen Konflikt näher gebracht hat und anhand einiger Beispiele verdeutlicht hat. Super interessant und ein ganzer Haufen voller AHAAAH-Momente. z.B. ist ein wichtiges Element um den ganzen Konflikt zu verstehen, dass es keine israelische Nationalität gibt. Es gibt nur die jüdische Nationalität und in Israel wohnende Juden. Also Briten, Amerikaner, Russen, Franzosen, Deutsche .... jüdischen Glaubens, aber keine Israelis. Gesetzlich gesehen hat das eine wichtige Bedeutung, denn des gibt einmal das Zivilrecht und das nationale Recht. Das nationale Recht gilt folglich nur für die Juden. z.B. kann sich der Staat durch das Zivilrecht Land aneignen, was dann dem jüdischen Staat gehört und nur durch das nationale Recht nur an Juden weiter gegeben wird. So werden nicht Juden, insbesondere Araber vertrieben. Ich kann das leider nicht so super wieder geben wie Jonathan Cook, unser Guide, aber vielleicht gibt es einen kleinen Eindruck.

Bevor ich nach Israel bin, habe ich mich mit dem Nahostkonflikt nicht insbesondere auseinandergesetzt... Wenn man hier nach Israel kommt und nur die Vergangenheit des Holocaust kennt, dann mag man ein starker Pro-Israeli sein. Je mehr ich mich jedoch mit dem Israel-Palästina-Konflikt auseinandersetze, desto schwieriger fällt es mir, eine klare Meinung zu vertreten. Was aber wirklich auffällig ist, ist dass die Araber, die hier in Tivon wohnen, unter sich bleiben und nicht von den Israelis akzeptiert werden. Immer wieder sehen wir skeptische und abwertende Blicke, wenn wir mit den arabischen Mitarbeitern unseres Projekts in den Straßen gesehen werden.

Im Gegensatz dazu werden die Behinderten in der Gesellschaft sehr akzeptiert. Wie man es von Russland ganz krass kennt habe ich auch hier damit gerechnet, dass es Leute geben mag die Behinderte nicht akzeptieren und einen blöd angucken. Hier in Tivon selber wohnen die etwa 50 "selbstständigsten" Member in eigenen Wohnungen und fahren so wie wir nur tagsüber ins Kfar, um dort zu arbeiten. Diese sieht man dann immer mal in den Straßen rumspazieren, einkaufen oder mit Nachbarn unterhalten.

Montag, 23. September 2013

Succot in Jerusalem

Überraschenderweise habe ich Succot kurzfristig in Jerusalem und zudem noch in einer jüdischen Familie gefeiert. Für 3 Tage war ich bei Georgia, ihrem Mann und 3 Kindern, welche im Westbankteil von Jerusalem leben. Eine tolle Erfahrung! Succot ist das Fest, wo jede israelische Familie eine Laubhütte baut um abends (oder die ganze Woche) darin zu speisen. Das "Leben" in Laubhütten soll an das Wohnen während der Wüstenwanderung während dem Auszug aus Ägypten erinnern.
Ein Succot ist wie gesagt eine Hütte, die mit Palmenblättern bedeckt ist. Oft ist sie sehr weihnachtlich geschmückt ( glitzernde Gierlanden etc.) oder es werden Zitrusfrüchte aufgehängt.



Am Succotabend kam ein Teil der Familie vorbei und es gab ein großes Festmahl. Zuerst wurde auf hebräisch gebetet und gesungen, ein Kelch herum gegeben, dem Alter nach, der älteste zuerst. Essen gab es reichlich. Von gefüllten Teigtaschen über Hühnchen und Lammfleisch hin zu koscherem Eis, Schokoküssen und köstlichen Wassermelonen. 

Am nächsten Tag haben Georiga und Co mit mir einen Ausflug ans Tote Meer gemacht. Zuerst sind wir nach Masada gefahren, eine ehemalige jüdische Festung welche schon fast 3000 Jahre alt ist. Masada ist sehr wichtig für die jüdische Geschichte, da sie den jüdischen Freiheitswillen wiederspiegelt. Im Jüdischen Krieg wurde die Festung von Römern belagert und anstatt in Gefangenschaft zu enden hat sich der Großteil der Bewohner in der Festung umgebracht bevor die Römer die Festung gestürmt haben.



Im Anschluss sind wir nach Ein Gedi, einen NP aus dem unser Trinkwasser kommt. Ein kleiner Fluss mit Wasserfällen mitten in der Wüste.

Das Festland im Hintergrund ist die andere Seite des Toten Meers: Jordanien.


Anschließend waren wir dann auch noch im Toten Meer schwimmen. Ein sehr lustiges Gefühl! Ein bisschen so wie als würde man in Öl schwimmen. Durch den hohen Salzgehalt schafft man es nicht mit den Füßen bis auf den Boden zu kommen sondern bounced immer wieder hoch :D außerdem fühlt sich die Haut super weich an und das Salz schmeckt scheußlich. Natürlich haben wir volles Beauty-Programm gemacht und uns komplett mit Schlamm eingeschmiert. Abends bin ich nur noch erschöpft und zufrieden ins Bett gefallen.



Tag 2 in Jerusalem:

Zuerst sind wir zum bekannten Mahane Yehuda Market gefahren. Viele Menschen, viele Stände, wenig Platz, viele Gerüche und Geräusche. Sehr eindrucksvoll. Anschließend sind wir durch die Altstadt von Jerusalem gelaufen und haben das ganze Touriprogramm abgeklappert: das Zion Tor, die Klagemauer, die alten Überreste der Stadt, der Via Dolorosa, die Stände im arabischen Teil der Altstadt, die Grabeskirche, eine kleine Synagoge, den Blick auf den Ölberg und und und.

Den 3. Tag hab ich ganz auf Urlaub gemacht und einfach nur auf dem Sofa oder der Terrasse gesessen und gelesen :) Gegen 17h habe ich mich dann schon auf den Rückweg nach Tivon gemacht und bin dabei noch in den 1. Regen im neuen jüdischen Jahr geraten. Zu Fuß auf dem Weg zum Busbahnhof sind wir total nass geworden. Der Regen hat nur etwa eine 1/2 Std angehalten und mich an den Regenguss im Juni in Bonn erinnert. Nur um einen kleinen Eindruck zu bekommen:


Dienstag, 17. September 2013

Israels Feiertage

Schon wieder ist ein Feiertag, und schon wieder nichts los. Diesmal ist allerdings alles noch ein bisschen extremer. Es war Jom Kippur, der Versöhnungstag - der höchste jüdische Feiertag. An diesem Tag wird weder gegessen, noch getrunken, keine Musik gehört und es werden keine elektronischen Geräte betätigt. Streng genommen darf nichts gemacht werden außer Beisammensitzen, Reden und Lesen. 

Leider haben wir von dem Traditionellen nur sehr wenig mitbekommen, da wir die Zeit in Tabgha, am See Genezareth in einer Begegnungstätte verbracht haben. Vielmehr als Rumliegen, Lesen und Essen haben wir auch nicht getan. - Außer, dass ich dummerweise von einer Biene gestochen wurde, eine allergische Reaktion hatte und nachts total schlecht schlafen konnte.
In Tabgha war es total entspannend undruhig. Außerdem läuft ein kleiner Fluss in den See Genezareth, in dem man super Baden gehen kann. Von dem vielen Entspannen habe ich allerdings irgendwie das Gefühl noch viel träger geworden zu sein :D.
Was ich nur erwähnen möchte ist, wie kompliziert das Busfahren in Israel doch sein kann. Besser gesagt, eigentlich ist es ganz einfach: man stellt sich an die Bushaltestelle und wartet, bis der Bus kommt. Problem ist allerdings, dass man nicht weiß ob die Busse pünktlich kommen, oder ob sie überhaupt kommen!
Für den Weg nach Tabgha braucht man eigentlich eine gute Stunde. Wir waren sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückweg mehr als 3 Stunden unterwegs, weil kein Anschlussbus kam. Selbst die Israelis warten und warten ... und verweisen aufs Internet, denn laut Plan kommt ja einer - in 5 Minuten!


Tiberias auf der anderen Seite des Sees


Bei den ganzen Feiertagen haben wir ziemlich viel frei (was man schon an dem vielen Reisen sehen kann;) ), und das alles geht nicht mal von unseren Urlaubstagen ab ... dennoch will ich euch die Tage was von meinem "Alltag" berichten, insofern man das nach 3 Wochen schon Alltag nennen kann :)

Schalom, eure Malin

Freitag, 6. September 2013

Rosh ha Schana & Ausflug nach Tel Aviv

Jetzt am Donnerstag war Rosh ha-Schana, jüdisch Neujahr. Für alle, die es also noch nicht wussten: Ich befinde mich nun im Jahre 5774!
Rosh ha-Schana ist einer der höchsten Feiertage in Israel. Im Kfar wurde dies die letzte Woche schon ausführlich gefeiert und mit allen Membern getanzt und gesungen. Ein großes Event! Vom Projekt haben wir zu diesem Anlass sogar Handtücher geschenkt bekommen ;)
Zu Rosh ha-Schana werden Äpfel in Honig getunkt und gegessen, dies steht dafür, dass das neue Jahr besonders sweet wird.



Weil wir frei haben fahren wir Volontäre nach Tel Aviv um den Rest unserer Gruppe zu treffen. Tel Aviv ist wie tot! Keine Busse fahren, nur Sheruts.
Wir verbringen den Tag und den Abend am Strand von Yafo. Wieder gehen wir nachts schwimmen :) und wieder einmal gibt es eine Falaffel.

Alle 8 EKiR Volontäre übernachten in Rishon in der WG, ca 20 min. von Tel Aviv entfernt. Auch am nächsten Tag ist es eine Herausforderung ein Sherut zu finden um zum Strand zu gelangen. Am Strand wurde Judith leider von einer Qualle erwischt, was den Strandaufenthalt dann relativ schnell beendet hat. Zurück hat uns ein nettes israelisches Ehepaar in ihrem Auto mitgenommen. Die zwei konnten kein Wort Englisch, kannten den Weg nicht und haben scheinbar noch nie das GPS auf ihrem neumodischen Smartphone verwendet. Für den eigentlichen 10 minütigen Weg haben wir mehr als eine halbe Stunde gebraucht und einen kleinen Ehestreit ausgelöst, aber die zwei haben uns super lieb bis vor die Haustür gebracht! Die Gastfreundlichkeit der Israelis überrascht mich immer wieder positiv!


Tel Aviv
die anderen EKiR Volontäre


old Yafo

Tel Aviv Strand


die Skyline von Tel Aviv












dies ist das Tal auf das man vom Kfar aus blickt
PS: Was ich vergessen habe zu erzählen: Am Dienstag haben wir einen kleinen Spaziergang vom Kfar aus in die Felder gemacht und nach einer Ausgrabungstätte ganz in der Nähe gesucht. Auf dem Weg haben wir unterschiedliche wilde Früchte wie z.B. Granatäpfel gefunden und verzehrt. Diese waren sehr lecker - die Kaktusfeige hingegen bleibt mir weniger gut in Erinnerung! Obwohl ich sie geschält habe hatte ich nach einem Biss nämlich viele kleine Stacheln in Händen, Lippen und dem kompletten Mundraum stecken. Bis zum nächsten Morgen haben mich die kleinen Stacheln genervt und gequält.

Dienstag, 3. September 2013

Woche Nr.1

So ihr Lieben,

grade mal 6 Tage und ich habe schon unglaublich viel erlebt!
Nach der Nacht in Haifa hatte ich meine ersten 3 Arbeitstage und fühle mich im Projekt pudelwohl, die Aussicht ist atemberaubend, das Wetter klasse, die Leute nett und die Member super herzlich und einzigartig. Wir werden so schnell aufgenommen, sodass die Arbeit richtig Spaß macht!

Am Shabbat waren wir zu 9. in den Golanhöhen wandern. Morgens sind wir mit dem Bus bis nach Haifa und haben von da aus ein Sherut (arabisches Taxi) genommen. Mit 3l Wasser im Gepäck sind wir durch die pralle Mittagssonne gewandert.
DANKE liebe Mama. Deine Trekkingsandalen sind gefühlt das sinnvollste Kleidungsstück :) nicht nur, dass sie hier total in Mode sind, nein, sie sind auch noch super praktisch!!
Denn die Wanderung ging nicht nur über Stock und Stein, sondern auch durch einen kleinen Fluss und hüfthohes Wasser. Am Ende der Wanderung ist ein Wasserfall mit kaltem Quellwasser. Herrlich! :)
Die Rückreise aus dem Nationalpark war dann schon die nächste Herausforderung: Der nächste Bus fährt erst in 5 Stunden - nach Shabbat natürlich. Also trampen wir in 2-3er Gruppen zurück nach Kiryat Tivon. Wir sind zu 3. als letzte los und kamen als erste an :) mit nur 1x umsteigen wurden wir von zwei netten Arabern bis ins Dorf reingefahren.