Die Fotos die in diesen Rundbrief gehören wurden leider nicht mit hochgeladen - ich werde sie noch nachträglich einfügen!
Hallo liebe Daheimgebliebenen!
Nach langer Zeit kommt hier wieder ein
Lebenszeichen von mir! Ein wenig verspätet, aber trotzdem nicht
weniger herzlich wünsche ich euch allen noch ein frohes neues Jahr
und hoffe, dass es viele tolle und erfüllende Momente für euch mit
sich bringt.
Ich werde ich einfach ein paar
Beispiele aus meinen eigenen Erfahrungen im Alltag herauspicken und
euch erzählen.
Vor nicht allzu langer Zeit haben wir
vom Projekt aus einen Volontärs-Ausflug in die Negevwüste nach
Mizpe Ramon gemacht. Mizpe Ramon ist ein natürlicher Krater, mitten
in der Wüste und bietet atemberaubende Aussichten. Am ersten Tag
haben wir nach einer langen Wanderung im Krater ein Lagerfeuer und
Abendessen gemacht und in einem Beduinenzelt geschlafen. Tagsüber
ist es brüllend heiß und sonnig, nachts wird es super kalt. Zum
Glück hatte ich eine Wärmflasche dabei. ;) Am nächsten Tag waren
wir in einem Museum und haben den Ausblick vom Kraterrand genossen.
Der Ausflug war zwar relativ kurz, dennoch hat es den Kontakt
zwischen uns deutschen und zu den israelischen Volontären sowie zu
unserem Koordinator sehr gestärkt.
Es war nicht das erste mal, dass ich
einen Ausflug in die Wüste gemacht habe, denn auch am Toten Meer und
bei Ein Gedi war ich schon. Die Negevwüste ist eine Steinwüste. So
trocken sie auch ist, wohnen die Beduinen in unterschiedlichen Teilen
in kleinen Hütten. Sowohl die Siedlungen, als auch die Beduinen
selber sieht man am Straßenrand, z.B. beim Kamele treiben.
Ein Wochenende später war ich in
Jerusalem. Da ich von Kiryat Tivon mit dem Direktbus nur 1,5h bis
dorthin brauche war ich schon einige Male dort. Dieses Wochenende war
ich zuerst auf einem Volontärsseminar und abends bei einem
Volontärs-Abendessen von der deutschen Erlöserkirchengemeinde. Auch
habe ich bei anderen Volontären übernachten können. Es gibt
wirklich viele Angebote für Volontäre, denn hier in Israel gibt es
alleine 800 Deutsche Volontäre! Am nächsten Tag habe ich bei einem
Ausflug von „Breaking the Silence“ teilgenommen. Dies ist eine
Organistation von ehemaligen Soldaten der IDF(Israel Defense Forces),
die über die politische Lage, die israelische Armee und vieles mehr
aufklären. Wir sind nach Hebron gefahren und durch eine jüdische
Siedlung auf palästinensischem Boden gelaufen. Die Siedlug besteht
aus 20% der Stadt. In den arabischen Teil sind wir nicht gegangen.
Das Ganze war hoch interessant, eindrucksvoll aber auch schockierend!
An solchen Tagen wird einem der Konflik zwischen Israelis und
Palästinensern in seinem ganzen Ausmaß bewusst.
An einem anderen Wochenende habe ich
mich „auf die andere Seite“ getraut. Zu Weihnachten habe ich von
Rebekka einen Hamam-Gutschein geschenkt bekommen (Hamam ist so
ähnlich wie eine Dampfsauna). Diesen haben wir in Ramallah
eingelöst. Luftlinie zwischen Tivon und Ramallah beträgt ca. 90km.
Um allerdings mit Bussen bis dort hin zu gelangen muss man ca. 5h
Fahrzeit rechnen. Ein Direktbus bis nach Jerusalem (wie eben schon
erwähnt 1,5h) welcher ca 8€ kostet, innerhalb Jerusalems muss man
dann zum arabischen Busbahnhof Ostjerusalems gelangen. Von dort fährt
ein Direktbus bis nach Ramallah, für ca. 1,5€. Die Fahrt geht
hauptsächlich an der Mauer entlang bis zum Checkpoint, daher zieht
sich die Fahrt ziemlich in die Länge. Einmal über den Checkpoint
gelangt ist man dann auch flott angekommen. Schon komisch, dass für
uns die Einreise an sich kein Problem ist – für die Israelis
allerdings ein absolutes Tabu, da es A-Zonen Gebiet ist.
In Palästina kommt man wie in eine
andere Welt. Alles ist chaotischer, wuseliger,
die Frauen tragen großteils Kopftuch
oder sogar Burka und statt Hebräisch wird Arabisch gesprochen. Uns
fällt es schwer unsere grade erst stolz erworbenen
Hebräisch-Kenntnisse zu verbergen und uns als „einfache Touristen“
auszugeben. Denn ein lieb gemeintes „Shalom“ (hallo) oder „Toda“
(Danke) ist ganz schön verpönt und macht einem keine Freunde,
sondern führt schnell zu einer angespannten Stimmung. Da Freitag
ist, ist in der arabischen Stadt alles wie ausgestorben. Erst
Nachmittags geht das Leben wieder los und wir erkunden die Stadt. Wir
schlafen in einem Hostel, welches super gemütlich und ein Treffpunkt
für alle Europäer ist. Vom Hostel aus werden jedes Wochenende
Touren durch die Stadt angeboten. Wirklich auffällig ist, dass in
Palästina kaum Gelder in die Tourismusbranche fließen, was das
Bereisen noch zu einer Herausforderung macht. Seit letztem Jahr gibt
es allerdings in allen großen palästinänsischen Städten Hostels,
welche immer auch private Führungen anbieten. Vom Reisen, Unterkunft
und Essen ist es in Palästina um einiges günstiger als Israel.
Auffällig fand ich auch, dass die
Busfahrer besser Englisch können, als hier in Israel.
Nun möchte ich aber noch einmal
genauer auf die israelische Kultur eingehen. Wie schon erwähnt, geht
es viel um Religion. Nicht nur einmal wurde ich gefragt, ob ich Jude
sei. Als ich die Frage verneint habe war mein Gesprächspartner sehr
erstaunt und hat mich gefragt, warum ich denn dann überhaupt hier
sei. Wenn ich dann sage, dass ich hier einfach nur so als Volontär
arbeite, sind viele verwundert, aber total begeistert darüber, dass
ich dies für den Staat Israel tue.
Den ersten Kontakt zu Israelis hatte
ich auf der Arbeit, zu gleichaltrigen israelischen Volontären,
„Shinshin“, die auch ein soziales Jahr nach der Schule und vor
ihrem Militärsdienst leisten. Dieser direkte
Deutsch-Israelische-Austausch ist ziemlich intensiv und unglaublich
erfüllend. Wir deutsche Volontäre lernen durch sie viel über die
israelische Mentalität, Ansichten, die Kultur etc., aber sie sind
auch sehr interessiert an unserer Ansicht über Deutschland, Israel
und das Christentum. z.B. haben wir mit ihnen ein richtiges
Weihnachts-Festmahl gefeiert. Wir haben gekocht, gebacken und
musiziert: Flädlesuppe, Kartoffelsalat und Würstchen,
Königinpastete, Rotkohl, Erbsen, Brot und zum Nachtisch Kuchen und
Plätzlichen … und sie davon überzeugen können, Weihnachten mal
in Deutschland zu erleben.
Wir zeigen und erzählen den Shinshin ein wenig von unserer Kultur, wir jedoch können die israelische Kultur richtig miterleben. Denn in Israel gibt es unzählig viele Feiertage! Jom-Kippur, Sukkot, Rosh ha Schana (jüdisches Neujahr) und Chanukka (ähnlich wie Weihnachten) waren schon, Purim (ähnlich wie Karneval) und Pessach kommen noch. Bei uns im Kfar werden diese Feiertage alle gefeiert und wir Volontäre der Musikgruppe untermalen die Feiern musikalisch. Das Besondere an jüdischen Feiertagen ist, dass sie immer bei Sonnenuntergang beginnen und bei Sonnenuntergang des darauf folgenden Tages enden. In der jüdischen Kultur gibt es viel Musik und es wird gesungen, getanzt und gegessen!
Das Gleiche gilt für Shabbat, welcher
jeden Samstag gefeiert wird. Shabbat wird unterschiedlich ausgeprägt
gefeiert, so dürfen orthodoxe Juden keine elektrischen Geräte
betätigen (inklusive Herd, Lichtschalter, Auto, …) und säkulare
Juden nutzen den Shabbat als Familienausflugstag. Von Freitag Mittag
bis Samstag Abend fahren keine israelischen Buslinien, daher müssen
wir uns früh genug überlegen, ob wir das Wochenende woanders
verbrigen wollen. Hier in Kiryat Tivon haben wir allerdings das
Glück, dass wir in der Nähe von Nazareth wohnen und es daher
arabische Busse gibt, die uns selbst am Shabbat nach Haifa bringen
können. Damit sind wir am Wochenende besser angebunden, als manch
anderer in Tel Aviv!
Eine typisch jüdische Tradition ist
auch koscheres Essen. Dies bedeutet, dass Fleisch- und Milchprodukte
nicht gleichzeitig oder von einem Geschirr gegessen werden dürfen.
Koscher Essen wird hier allerdings von Familie zu Familie
unterschiedlich streng gesehen. Fleisch- und Milchprodukte dürfen
demnach eigentlich nicht mal im gleichen Kühlschrank aufgehoben
werden. Was jedoch die meisten hier wirklich nicht essen würden,
wäre z.B. eine Salami-Pizza mit Käse. Traurig aber wahr: bei einem
koscheren Mc Donalds kann man hier keinen Cheesburger finden.
Die jüdischen Feiertage sind
einheitlich, sonstige traditionelle Sitten können allerdings stark
variieren. Dies ist leicht verständlich, wenn man sich bewusst
macht, dass die meisten israelischen Juden erst in der 2. Generation
hier leben und ursprünglich aus Russland, Europa, Amerika, Äthiopien
oder anderen Nahost-Ländern kommen. Demnach gibt es sogar auch
arabische Juden. Hebräisch ist eine sehr junge Sprache und viele
Israelis sprechen neben dieser Landessprache noch Englisch und/oder
Jiddisch/Deutsch, Französisch, Spanisch, Russisch, Arabisch,
Persisch …
Aus dem gleichen Grund fällt es mir
schwer, eine israelische Esskultur zu benennen. Klar, wir essen hier
super oft und gerne Falaffel, Humus (Kichererbsenmus) und Trina (eine
Sesam-Soße), aber ansonsten wird hier ziemlich interkulturell
gekocht. Wegen des warmen Klimas hat Israel das Glück, dass hier
viel Obst und Gemüse wächst. Dieses reicht von Avocado und
Kartoffeln über Orangen, Pomelos und Khaki bis hin zu Mandeln,
Maracuja und Bananen. Bei mir im Projekt stehen vier große
Pomelo-Bäume, so pflücken wir uns jede Frühstückspause eine
frische Frucht. Wenn man durch die Straßen läuft findet man auch
immer mal wieder einen Orangen- oder Granatapfelbaum für eine
Wegzehrung. Irgendwie schon paradiesisch.
Ein großer Unterschied zwischen Israel
und Deutschland ist, dass das Militär in Israel Teil des täglichen
Lebens ist. Jeder Jugendliche muss in der Armee dienen. Frauen zwei,
Männer drei Jahre. Die Meinungen darüber sind sehr geteilt, aber da
Israel in akuten, politischen Konflikten involviert ist, bleibt den
jungen Israelis gar keine andere Wahl, als für ihr Land zu dienen
und Israel zu verteidigen. Das macht es für uns schwer,
gleichaltrige Israelis kennenzulernen, da fast alle zwischen 18 und
22 in der Armee sind und nur alle zwei Wochen das Wochenende zuhause
verbringen.
Diese Woche war ich auf einem
Freiwilligenseminar, welches über die Entwicklung das Staates Israel
war. Wir hatten einige Vorträge zur Entwicklung der Kibbuzim, der
Kunst und des Schulsystems. Besonders hat mich der Vortrag zum
israelischen Schulwesen zum Staunen gebracht.
Es gibt eine Schulpflicht von 12 Jahren
und alle Israelis gehen aufs Gymnasium. Eine Realschule oder
Hauptschule gibt es nicht. Auch gibt es nicht die Möglichkeit eine
Ausbildung zu machen. Daher versuchen alle, ihre Abschlussprüfung
(mit dem Abitur zu vergleichen) zu bekommen, um studieren zu können.
Das Erschreckende ist allerdings, dass im Schnitt nur 50% aller
Schüler diese bestehen! Die Zahlen schwanken sehr von Region zu
Region. Fallss man durchfällt, gibt es die Möglichkeit, die
Abschlussprüfung nach dem Militär noch einmal zu wiederholen, denn
sonst hat man keinen Schulabschluss.
Die orthodoxen Juden haben ihre eigenen
Thora-Schulen. In den Thora-Schulen wird das Judentum gelehrt, alle
weiteren Themen wie Naturwissenschaften, Demokratie, Zionismus …
werden ausgelassen. Dies führt dazu, dass orthodoxe Schüler eine
komplett andere Bildung haben, als alle anderen Israelis. Ich selber
weiß relativ wenig über orthodoxe Juden und ihre Sitten, denn sie
sind kaum in die Gesellschaft integriert. Oft trifft man bei Israelis
sogar auf Wut, wenn man auf die Orthodoxen zu sprechen kommt. Einer
der Gründe ist, dass sie von der Armee-Pflicht befreit sind –
dieses Recht wird im Moment allerdings stark diskutiert. Ein anderer
Grund ist, dass sie nicht verpflichtet sind zu arbeiten und auf
Staatskosten leben. Das Resultat dieses Systems ist, dass es in
Israel eine sehr breite Bildunsspanne und zu wenig ausgebildete
Handwerker gibt.
In diesem Zusammenhang muss ich noch
erwähnen, dass in Israel Religion und Staat nicht getrennt sind.
Dies ist zwar die Grundlage des jüdischen Staates Israel, es ruft
jedoch viele Probleme auf und erschwert einiges in dieser heterogenen
Gesellschaft.
Ich bin wirklich froh, dass ich neben
meiner Arbeit so viele Möglichkeiten habe dieses Land zu bereisen
und seine Bewohner kennen zu lernen. Es ist einfach so unglaublich
interessant und vielseitig. Es ist so ein Mix zwischen Natur und
Kultur sowie Spannung und Entspannung. Ich genieße es, viele
Erfahrugen zu machen und Zeit zu haben, über mich und die Welt
nachzudenken. Dabei bin ich ziemlich verblüfft, dass schon die
Hälfte meiner Zeit hier vorbei ist. Für die nächsten Wochen und
Monate habe ich schon einiges geplant, das Wetter wird noch besser
und die Zeit vergeht im Nu. Ich bin so dankbar, diese Erfahrugen
machen zu dürfen und mich von diesem Land, diesen Menschen, dieser
Zeit bereichern zu lassen!
Ein dicker Kuss nach Hause,
Eure Malin (Geschrieben Februar 2014)
PS: Der nächste Rundbrief kommt schon in wenigen Tagen! :)
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